Die Schwarze Decke

Mary Mayrhofer (AT)

 

Mit diesem versteiften Textilobjekt habe ich mich darauf fokussiert, Charakteristiken einer Depression zu symbolisieren und darzustellen. Diese Arbeit übersetzt diesen mentalen Missstand in die Welt der Objekte und macht sie so auch für Betrachter*innen (be-)greifbar, die keine persönlichen Berührungspunkte mit dieser Thematik haben. Die schwarze Decke ist eine Symbiose aus jenen bewusst gewählten Gestaltungsmitteln, die mir sinnvoll erschienen, um das Projekt als Ganzes zu einer Allegorie werden zu lassen. Die Arbeit stützt sich auf Faktoren wie Schrift oder Farbe und zeigt Depression als eine tiefschwarze, versteifte Hülle, welche einen vom Genuss des Lebens abkapselt.

Wenn ich es schaffe, aus meinem Schmerz etwas zum Ausdruck zu bringen und entstehen zu lassen, habe ich das Gefühl, er ist nicht ganz umsonst. Zudem hilft es mir, mein Inneres nach außen zu tragen und anderen verständlicher zu machen, was Worte nicht schaffen.

Das Gedicht entstand an einem emotionalen Tiefpunkt am 10. 04. 2021 um etwa 03:00 morgens – lange vor Beginn des gestalterischen Prozesses, der in etwa ein halbes Jahr später seinen Anfang nahm. Wären einige Dinge anders gelaufen, so wäre dieses Gedicht einem Abschiedsbrief beigelegen und nie Teil eines Projektes geworden. Heute bin ich nicht nur froh, sondern auch extrem stolz darauf, noch hier zu sein, um meinen Schmerz in etwas morbide Schönes umzuwandeln und im besten Fall Kunst zu machen, die Menschen erreicht und berührt.

Durch dieses Projekt möchte ich mich nicht nur mit meinem eigenen Inneren konfrontieren, sondern es nach außen tragen und anderen offenbaren. Zudem möchte ich allen großartigen Künstler*innen, Eltern, Geschwistern, Freund*innen, Fremden und Menschen, die an dieser Krankheit leiden oder bereits an ihr zugrunde gegangen sind, gedenken.

 

Die schwarze Decke

 

Die schwarze Decke umhüllt einen Menschen,

Aber der Mensch ist nicht mehr da.

Der Stoff ist fest geworden,

Hat sich versteift und ist erstarrt,

Als sich die Existenz in Nebel auflöste.

Der Mensch ist schon weg,

Vielleicht seinen Gedanken entflohen,

Oder den Grund der Donau erforschen.

 

Die schwarze Decke hat bereits Tränen aufgesogen

Und Gebete mitgehört.

Sie hat Schreie gedämpft

Und sich mit Blutflecken geziert.

Die schwarze Decke

Wie die letzte Ruhestätte einer Mumie,

Wie ein Sarg für jene, die noch leben.

Als letzte Erinnerung an alle,

Die zu müde waren,

um sich am Ende des Tages

einfach wieder hinzulegen

 

With this stiffened textile object, I focused on symbolizing and depicting characteristics of a depression. My work relocated this mental disorder in the world of objects, thus making it comprehensible and tangible even for viewers who have no personal contact with this subject matter. *Die schwarze Decke* (The Black Blanket) is a symbiosis of the creative media I chose deliberately because I regarded them as suitable for turning this project as a whole into an allegory. My work is built on factors such as script and color and shows depression as a deep black, stiffened shell that shuts one off from the enjoyment of life.

If I succeed in expressing and creating something from my pain, then I feel it was not all in vain. It also helps me to lay bare my innermost feelings and make comprehensible to others what words cannot express.

I wrote this poem at an emotional low point, on April 10, 2021, at about three o’clock in the morning—long before the beginning of the creative process, which commenced about half a year later. If things had taken a different course, this poem would have accompanied a suicide note and never would have become part of a project. Today, I am not only happy but also extremely proud that I am still here to transform my pain into something morbidly beautiful and ideally to create a kind of art that reaches and touches people.

Through this project, I want not only to confront my own inner feelings but to reveal them to others as well. I also want to commemorate all the tremendous artists, parents, siblings, friends, strangers, and other people who suffer from this illness or have already succumbed to it.

 

Die schwarze Decke (The Black Blanket)

The Black Blanket encases a person,

But the person is no longer there.

The fabric became rigid;

It hardened and stiffened

As life dissolved in fog.

The person is already gone,

Perhaps escaping from their thoughts,

Or exploring the bottom of the Danube.

 

The Black Blanket has absorbed tears

And eavesdropped on prayers.

It has muffled screams

And adorned itself with bloodstains.

The Black Blanket,

Like the last resting place of a mummy,

Like a coffin for those still alive.

As a final memory to all

Who were too tired

At the end of the day

To simply lie down again.

Mary Mayrhofer (*2002) wohnt derzeit noch in Linz, möchte aber eigentlich die ganze Welt bereisen. Sie hat an der HBLA für künstlerische Gestaltung maturiert, möchte nun Kunsttherapeutin werden und somit ihre beiden größten Interessen – Menschen und Kunst – verbinden. In allen Bereichen ihres Lebens steht Ausdruck an erster Stelle, was auch der Grund ist, warum sie sich in ihren Arbeiten mit ihrem eigenen Inneren befasst. Obwohl sie immer wieder neue Materialien und Techniken aufgreift, hat sie sich hauptsächlich in dem Medium Collage und der Stilrichtung Dadaismus gefunden. Daran schätzt sie vor allem die Freiheit, alles auseinanderzunehmen und neu zusammenzufügen, sowie alle Normen und Konventionen zu zerstören.

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Mary Mayrhofer (*2002) still lives in Linz but would really like to travel all around the world. She graduated from the HBLA für künstlerische Gestaltung and would now like to become an art therapist in order to combine her two great interests: people and art. In all areas of her life, expression has priority, which is also why she addresses with her own inner thoughts in her work. Although she constantly utilizes new materials and techniques, she feels most at home in the medium of collage and in the Dadaist style. What she most appreciates about this is the freedom to take everything apart and put it back together in a different way, and to destroy all norms and conventions.